2. Teil
Um 16:00 Uhr ist unsere uns selbst verordnete Ruhezeit zu Ende.
Anchorage wird wie alle Tage zuvor ein zweites Mal angerufen, um die Wettermeldungen zu aktualisieren.
Bemerkenswert ist dabei, dass der (immer die selbe Person) Vormittagsbriefer immer ein besseres Wetter angibt, als der Kollege am Nachmittag. Auch bei den
Wetterbeobachtungen und Vorhersagen gibt es einen grossen Spielraum fuer Interpretationen.
Und auf den Kollegen mit seinen schlechteren Vorhersagen ist Verlass.
Jetzt steigen die Wolkenobergrenzen von 11000 Fuss auf 20000 Fuss.
So hoch kommen wir nicht. Und da die Nullgradgrenze und damit die zu erwartende Vereisungsgrenze im Laufe des Fluges absinken wird, werden wir sinken muessen.
Das bedeutet einen hoeheren Treibstoffverbrauch und weniger Rueckenwind. Das macht Mut... :-)
Wir waegen ab und entscheiden, dass es beim heutigen Abflug bleibt.
16:15 Uhr.
Unser Handlingagent ruft an und ist ganz aus Begeisterung aus dem Haeuschen, als er erfaehrt, dass er heute seine Kunden verabschieden kann.
17:00 Uhr
Der Handling-Agent sammelt unsere Paesse ein, um sie durch die Passkontrolle zu bringen. Ausser uns gibt es nach 18:00 Uhr am heutigen Tage keinen Auslandsflug
von Chitose/Sapporo aus, weshalb die Immigration bereits um 18:00 Uhr ihre Sachen einpacken wird.
21:00 Uhr
Wir werden auf den weit draussen gelegenen Abstellplatz unseres Flugzeuges gebracht, wo es in den letzten Wochen einsam und alleine den grossen Flugzeugen
zugeschaut hat.
Aussencheck, Einraeumen des Gepaecks, Bereitlegen der Notausruestung, Ordnen der Flugunterlagen etc.
21:20 Uhr
Markus entfernt mit Hilfe der beiden Bodenmitarbeiter die mit einer Unzahl von Knoten versehenen und an den gefuellten Wasserkanistern als Sicherung befestigten
Halteseile.
21:35 Uhr
Ich sitze im Flugzeug und programmiere die Route in das GPS. Markus nutzt derweil das aufgewaermte Wasser in den Kanistern fuer eine Schnellwaesche des
Flugzeuges. Wir wollen doch einen sauberen und reinlichen Eindruck in Japan hinterlassen.
21:46 Uhr.
Markus schluepft in seinen Ueberlebensanzug und danach ins Flugzeug.
21:48 Uhr
Ich hoere die ATIS ab und hole ueber Funk die Anlassfreigabe.
21:51 Uhr.
Wir rollen ueber das riesige und teilweise unuebersichtliche Vorfeld zum Rollhalt der Piste 19R.
21: 55 Uhr.
Wir haben den Rollhaltepunkt erreicht und arbeiten gemeinsam die Checkliste durch. Danach Meldung an den Turm, dass wir abflugbereit sind.
21:59 Uhr.
Wir rollen in die Startbahn und heben die Raeder des Hauptfahrwerks um 22:00 Uhr vom Boden.
22:00 Uhr
Chitose Airport klappt die Buergersteige hoch und kann das Licht loeschen.
Nach dem Start geht es im Steigflug bei wunderschoenem Vollmond oestlich ueber die Insel Hokkaido. In den naechsten zwei bis drei Stunden soll es noch wolkenlos
bleiben. Vereisung spielt also noch keine Rolle.
Nachdem wir etwas mehr als eine Stunde unterwegs sind, bittet uns Chitose Approach, auf den HF-Sender umzuschalten und Tokyo zu rufen. HF ist ein Sender, der
fuer extreme Reichweiten geeignet ist und fuer dessen Nutzung eine viele Meter lange Antenne waehrend des Fluges aus dem Flugzeug abzulassen ist.
Nur, das funktioniert bei uns nicht.
Jetzt geht das Spiel los.
Tokyo ist verwirrt, dass wir heute nicht mit HF arbeiten koennen.
Wir entfernen uns langsam von den Japanischen Inseln.
Sie fragen nach einer anderen Senderart, die uns nicht gelaeufig ist und die wir auch nicht haben.
Wir entfernen uns weiter von Japan.
Wir bieten an, dass wir unsere zwei Satellitentelefone fuer Standortmeldungen einsetzen. Tokyo schickt uns auf Stand by.
Jetzt sind wir aber schon ganz schoen weit von Japan weg und der Funk laesst stark in der Qualitaet nach.
Irgendwann versucht Japan offensichtlich, uns im Funk wieder zu erreichen.
Der isr jetzt aber so schlecht, dass sich die Kommunikation in dieser Richtung damit erledigt hat.
Wir holen unser Satellitentelefon hervor, nehmen es in Betrieb und rufen die AIS in Frankfurt an.
Sie sind aus unserer Sicht die qualifiziertesten Mitarbeiter, die uns jetzt helfen koennen. Und das tun Sie auch aeusserst professionell und unkompliziert. Ein
riesiges Kompliment an alle dort beteiligten Personen. Sie haben uns wunderbar betreut und den Flug moeglich gemacht. VIELEN DANK!!!
In den naechsten Stunden schicken wir etwa 8 Positionsmeldungen nach Frankfurt, die von dort jeweils nach Tokyo und Anchorage weiter geleitet werden. Je
nachdem, in wessen Zustaendigkeitsbereich wir unterwegs sind.
Nach etwas mehr als 5 Stunden geht schraeg rechts vorne die Sonne auf und wir sehen, dass wir dicht ueber einer geschlossenen Wolkendecke unterwegs sind.
Gleichzeitig kommt ein helles Licht am Horizont auf uns zu, dass sich aber nach kurzer Beobachtung als aufgehender Stern entpuppt. Haette ja auch ein Russisches Flugzeug in freundschaftlicher... Absicht sein koennen.
Der vorhergesagte Rueckenwind bringt uns ab 400 NM vor dem Ziel auf ine Groundspeed von gut 200 NM.
Frankfurt teilt uns mit, dass wir uns 100 NM vor Adak bei Anchorage Center melden sollen.
Das klappt dann bei 60 NM vor Adak. Wir erhalten den aktuellen Luftdruck fuer den Anflug unD sinken in Wolken an Vulkanbergen mit ueber 6000 Fuss nach unten.
Manchmal scheint etwas von den Berghaengen durch. Imposant.
Vom Boden erhalten wir keine Antwort auf unsere Funksprueche und stossen kurzzeitig bei der Entscheidungshoehe von 1220 Fuss aus den Wolken. Danach sinken wir
schnell weiter, da zwischen dem Platz und uns noch einiges an Wolkenfetzen unterwegs ist.
Gelandet. Toller Tower, grosse Landebahnen, viele Haueser, keine Menschen. Ausser dem sich im Wind neigenden Gras bewegt sich ausser uns nichts. Gibt es Leben
auf dieser Welt?
Wir rollen vor eine riesige Halle und nach etwa 15 Minuten tauchen drei eigenartig anmutende Gestalten auf, die sich nach unserem Flugzeug erkundigen.
Adak hatte seit dem 2. Weltkrieg bis 1997 eine grosse Luftwaffenbasis mit bis zu 10000 Menschen, die hier mit Kind und Kegel lebten.
Es existieren noch in recht gutem Zustand die Haeuser von Mc. Donalds, Kentucky Fried Chicken, der Klinik, der Bowling-Alley und hunderte von
Einfamilienhaeusern. Aber es leben nur noch 60 (in Worten sechzig) Menschen hier.
Auf jeden Einwohner kommen etwa um die 10 Haeuser.
Das Zentrum ist in der Aula der ehemaligen Highschool untergebracht. Hier gibt es das Postbuero, das Restaurant und im selben Raum den Einkaufsladen. Immerhin,
es gibt Leben hier. Man hat sich mit den Moeglichkeiten arrangiert.
Das Ganze wirkt aber wie eine geisterhafte endzeitliche Siedlung, als wenn man nach dem Ausrotten der Menschheit fast alleine auf diesem Planeten waere.
Wir buddeln zwei in den Beton eingelassene Ringe aus, an denen wir unser Flugzeug im heftigen Wind festzurren.
Urspruenglich hatte ich beim Herflug Sorge, ob es hier ein Hotel gibt. Gibt es auch nicht. Aber dafuer jede Menge eingerichteter Haeuser. Welches haetten Sie
denn gerne?
Wir ziehen fuer eine Nacht in ein Reihenhaus mit zwei Schlafzimmern und auch zwei Baedern ein. Schlecht geht es uns hier nicht wirklich.
Im Restaurant gibt es Spitzenkueche aus Adak. Naja, man ist halt froh, dass es etwas warmes gibt...aber alle sind sehr nett und hilfsbereit.
Arnim
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