COCKPIT
Es mag den ein oder anderen geben, der gerne mal einen neugierigen Blick in unser Cockpit und auf unsere Cockpitarbeit werfen will.
Zunächst einmal sitzen wir beide sehr bequem. Unter bzw. vor beiden Vordersitzen ist viel Platz. Ich nutze diese Fläche für das Lagern von Wasserflaschen und Powerriegeln, einem Satellitentelefon, meinem alten
Icom Sprechfunkgerät, dem neu erworbenen Garmin 295 Handheld GPS und meinem unersetzlichen Psion Computer, zur Erfassung von Tagesnotizen.
Arnim verstaut unter seinem Sitz einen ansehnlichen Beutel, gefüllt mit leckeren Hanutas, Kakaodrinks, Bifiwuersten und
Schokoriegeln. In seinem linken Sitzspalt befinden sich alle die für den jeweiligen Tagesabschnitt relevanten Flugunterlagen.
Beide benutzen wir ein loses Kniebrett für`s Mitschreiben.
Für den Fall der Fälle, liegt hinter uns ein kompakt gefaltestes 6 Mann Schlauchboot, ein Extrabeutel mit allerlei Pyrotechnik
(Signalraketen), eine Minientsalzungsanlage, eine Notration Wasser und ein mobiler Notsender (ELT).
Fliegerisch beginnt jeder Flug mit einem Fax von der AAIS in Frankfurt Rödelheim. Es enthält den gültigen Flugplan mit
Flightlog und das Streckenwetter. Vor dem Einsteigen werden aus dem jeweiligen Tripkit eine Streckenkarte und die Anflugblätter des Zielflugplatzes herausgesucht. Es folgt die Startup, taxi und takeoff clearance
und dann geht's los.
Wie es losgeht hängt allerdings davon ab, ob ich oder Arnim den Funk machen. Vom inhaltlichen Schwierigkeitsgrad könnte man
meinen, dass schon zehnjährige Grundschüler mit der Befolgung einer Startup-, taxi- oder Take off clearance klarkommen müssen. Gleichermassen sollte sich die Interaktion des Controllers mit
einem Piloten auf die Frage reduzieren lassen, zu welchem Wegpunkt, in welcher Richtung und Höhe er sein Fluggerät bewegen soll. „So what“, könnte man meinen. Die Übergabe von Controller zu Controller
im Flugablauf, erscheint ebenfalls profan. Nur eine andere Frequenz ist zu rasten.
Jedes nach IFR Flugregeln strukturierte Anflugverfahren lässt sich schliesslich auf die Grundformel: Which way, how long, how low
bringen. Das sollte also doch auch alles ganz easy sein.
Die Praxis sieht anders aus. Zum Beispiel wurde schon der erste Kontakt zur Erlangung der Startup clearance in Kairo für mich
im aegyptisch eingefärbten Englisch zur echten Leidensprüfung. Arnim verfügt allerdings über den fliegerischen siebten Sinn. Auch wenn der Controller auf Anhieb nicht zu verstehen ist, lohnt es sich zu
wiederholen, was er gesagt haben könnte, um herauszufinden was er tatsächlich gesagt hat. So stellt sich in Kairo heraus, dass bei der start up clearance ein Final level 130 und eine Rollanweisung vom Lotsen zur
Wiederholung erbeten werden.
Zum Glück sind wir fast täglich unterwegs. So übe ich und suche nach der prägnanten Kürze, denn im IFR Sprechfunk liegt nur
darin die Würze. Ein kurzes "estimate Dubai VOR 19:18 Zulu" reicht vollkommen aus, um dem Controller die Ankunftszeit in Dubai zu übermitteln.
Eine Abweichung vom gespeicherten und aktivierten Flugplan in der Luft, eskaliert nur dann nicht zur grossen Verblüffung zwischen
Lotse und uns, wenn die fremdesten Bezeichnungen für Airways und Wegpunkte in stoischer Aufmerksamkeit notiert und zurückgelesen werden können. Ebenso wichtig wie die virtuose Bedienung unseres Garmin 430,
ist die Verprobung des aktiven Flugplans mit der Streckenkarte. Dazu entfalten wir die Streckenkarte und markieren den freigegebenen Streckenverlauf. Nur wenn die im Flugplan enthaltenen Wegpunkte, den Controller
und uns glücklich machen, können wir uns wieder zurücklehnen und uns einem gemütlichen Plausch oder einer leckeren Bifi Wurst zuwenden. Überhaupt muss man sich uns "enroute" sehr locker und entspannt
vorstellen. Es kommt sogar vor, dass einer von uns ein wenig die Augen schliesst.
Sollte die Kommunikation zwischen Lotse und Pilot jedoch plötzlich abgerissen sein, was wir auf dem Weg nach Kairo erleben, greift
Arnim auf seine Erfahrungen als Ferrypilot zurück. Mit einem kurzen: N241PK request relay on 127.7 for position report. Eine neue Erfahrung fuer mich, dass tatsächlich ein freundlicher Jetpilot unsere
Position weitergibt.
Mit dem approachbriefing und Überlegungen zur wahrscheinlichen Parkposition, beginnen wir etwa eine Stunde vor der errechneten
Ankunftszeit. Mit dieser Flugphase nimmt das gemütliche Bordleben in unserer Cirrus immer ein Ende. Gäbe es diese Flugphase nicht, würde die Gilde der Flugschulen arbeitslos und viele Seiten Papier wären
unbeschrieben geblieben.
Ich erfahre an mir selbst was die NASA im Rahmen eines Testprogramms an Astronauten ausprobiert haben soll. Demnach sollen Menschen
nicht in der Lage sein verschiedene Aufgabenstellungen gleichzeitig zu bearbeiten. Wenn dem so wäre, hilft nur Übung die rund um Funk, Flugzeug und Anflugverfahren bestehenden Anforderungen möglichst flott
nacheinander zu erfüllen.
Der Anflug auf Dehli im Dunst bei Nacht, nach neun Stunden in der Luft im dunklen Cockpit, wäre mir zu Beginn der Reise wie ein
Himmelsfahrtskommando erschienen. Sehnsüchtig denke ich an die gewohnte „deutsche“ IFR Umgebung, die sich zunächst durch die Verständlichkeit im Funk so angenehm unterscheidet. Nur mit Arnim im Cockpit,
kann ich den Anflug in Dehli in Ruhe abarbeiten und sogar passabel fliegen. So macht uns beiden die Cockpitarbeit in fremder Umgebung viel Freude, denn;
you can't discover new oceans unless you have the courage to loose sight of the shore.
Markus
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